Montag, 11. November 2013

Noch ein paar Meter - eine Wegbeschreibung

Die Türen gleiten mit einem Ruck auseinander und geben den Blick auf einen überfüllten Bahnsteig frei. Meine Füße steigen entschlossen über die Kluft zwischen dieser überfüllten Welt und mir, um sich im Slalom einen Weg zur Rolltreppe zu suchen. (noch 800 Meter)
Wartezeit. Plakate links und rechts an den Wänden. Wissen? Oper! Konzert. Eine Frau stapft an mir vorbei und erhöht so ihre Geschwindigkeit um das doppelte. Ein Sprint um die Ecke. Erneut eine Rolltreppe: Plakate links und rechts an den Wänden, von hässlichen Fliesen umrahmt, werben für Messen, Events und Institutionen. Dann verlassen meine Füße den rollenden Untersatz wieder und streben gen Bahnsteig 15. (noch 700 Meter)
Der Großstadtbahnhof hat mich wieder, umschließt mich, schubbst mich, treibt mich, fliegt mir Tauben in den Weg, zwingt mich durchs Schildermeer seiner Baustellen, lässt keinen Widerstand zu.
Bahnsteig 15. (noch 100 Meter) Suchend blicke ich mich um, laufe weiter. Meine Augen scannen unbewust jedes Gesicht, jede Statur, jede Gangart und Körperhaltung, dann entdecken sie das gesuchte Objekt, (noch 10 Meter) meine Beine steuern darauf zu. Im selben Moment wird das Objekt zum Subjekt: schaut mir direkt in die Augen, ein tiefgehender Blick, man kennt sich! Mein Gesicht hellt sich auf, ist nicht mehr Alltag, nicht Gewohnheitsblick, nicht treibender Bahnhofsstress, ist Freude! Er lächelt, (noch 2 Meter), wartet, (noch 1 Meter) schließt mich in seine Arme. Sein Gesicht hat winterlichte Temperaturen angenommen. Sein Herz pocht nah an meinem.
(noch 0 Meter)

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