Mittwoch, 27. Juni 2012

Schulalltagsgedanken


Fast hätte sie mich umgerannt. Auf dem Rücken trägt sie im blauen Koffer ein Cello, das fast so groß ist, wie sie selbst. Während sie mit der einen Hand einen Kuchen balanciert, hält sie mit der anderen die Keksdose fest, damit diese nicht von der Kuchenhaube rutscht. In der Armbeuge desselben Arms hängt ihre Schultasche. Mein Fazit: Ein engagiertes Mädchen, das wahrscheinlich heute Geburtstag hat. Ihr Gesicht verrät mir: Sie ist höchstens in der sechsten Klasse und offensichtlich im Stress, also lasse ich sie laufen und setze meinen Weg durch das Schulgebäude fort.
Eine Stufenkameradin fragt mich wo wir Unterricht haben und macht mich anschließend auf den Jungen aufmerksam, der mal wieder wegen seiner ungestümen Art gehänselt wird und an ihrem Tonfall merke ich, dass sie den Kindern, die ihn anschreien und schubsen recht gibt. Ich reagiere eisig (was meiner eigentlich lieben Stufenkameradin nicht gerecht wird) und überlege, ob ich eingreifen soll, obwohl ich genau weiß, dass es auch dieses Mal nichts ändern wird - Höchstens den Streit auf die Toilette verschiebt, wo ich machtlos bin.
Zum Glück kommt in diesem Moment der Lehrer der kleinen Raufbolde, und schickt sie energisch in ihren Klassenraum.
Ich vernehme eine Stimme irgendwo hinter mir. Wer hat mich gerufen?
Da kommt eine gute Freundin angelaufen, die mir noch schnell etwas mitteilen will, bevor wir beide (sowieso zu spät) in den Unterricht müssen. Heute ist einfach zu viel los und meine Stufenkameradin geht schon einmal vor.
Als mir auf dem Weg zum Raum die Musiklehrerin entgegenkommt, die mich immer grüßt, obwohl ich sie nur einmal gebeten habe einen Raum aufzuschließen und nie bei ihr Unterricht hatte, lächle ich sie freundlich an. Sie lächelt zurück. Doch nie wechseln wir ein Wort.

Mein Lehrer beachtet mich kaum, als ich zu spät in den Unterricht platze, mich möglichst leise auf meinen Stuhl setze und Bücher und Ordner raus krame, während ich in das Buch meiner Sitznachbarin schiele um zu sehen, was gerade gemacht wird.
Der Lehrer macht heute früher Schluss, weil er noch einen anderen Termin hat und ich finde fünf Jungs aus meiner Stufe im Foyer beim Kartenspielen vor, die gerade eine Freistunde haben. Eine andere macht Hausaufgaben, wieder eine anderer steht vorm Kiosk und versucht sich zu entscheiden welches Brötchen er kaufen soll, während ich mich auf den Weg in die Mensa mache um mein bestelltes Mittagessen zu mir zu nehmen, bevor ich mir zwei Stunden meines Hassfachs antue. Die letzten zwei Stunden des Tages.

Und so könnte ich weiter erzählen...
Sind es im Prinzip nicht immer die gleichen Szenen, die sich tagtäglich vor uns abspielen?
Und wir verändern kaum etwas. Nein wir machen Rituale aus dem, was uns begegnet. Das gibt uns Sicherheit.
Mit dem Literaturkurs haben wir diese Woche ein Theaterstück aufgeführt, für das wir viele, viele Stunden in der Schule mit Proben verbracht haben - Zu Zeiten, an denen niemand außer uns da war. Seit Beginn der intensiven Probezeit verspüre ich immer wieder das Bedürfnis meine Schuhe auszuziehen und auf Socken durch das Gebäude zu laufen oder mir einen Tee zu kochen, so albern das auch klingt. Natürlich tu ich das nicht. (Jedenfalls nur in seltenen Ausnahmefällen)
Die Schule allerdings wird mir allmählich zum alltäglichen Zuhause.
Hier wohne ich, hier lebe ich, hier arbeite ich. Hier sind Menschen, die in mein Leben gehören. Zugegeben: Es sind sehr viele, und nur mit wenigen hat man WIRKLICH etwas zu tun.
Aber die vielen typischen Begegnungen und meine Art Menschen um mich herum zu analysieren und mit ihnen umzugehen wie sie nun einmal sind und Beziehungen zu ihnen aufzubauen sind Ursache für dieses seltsame Gefühl von: Hier lebe ich. (Vermute ich)
Jeder in der Schule spielt eine andere Rolle...die des Stufenpapas oder die der alles überblickenden Oma. Der, der einen ernst nimmt und die chaotische Tante, die einfach nie einen Plan von irgendwas hat.
Und so weiter.... kennt ihr das?
Das Leben besteht echt aus komischen Systemen!

Liebe nachdenkliche Grüße
Glöckchen.

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